Locker lassen statt Mücken jagen

Es (was auch immer dein ES ist – bitte einfach einsetzen) muss perfekt sein.
Das ist noch nicht gut genug.
Da geht noch mehr.
Das kann ich definitiv verhindern.
Das hab ich zu 100 % im Griff.

Kommt dir irgendwas davon bekannt vor? Bleib unbedingt dran.

Achtung: Es wird kurz persönlich

Letzte Woche war ich beim Doc. Nix Wildes, einfach mal zum Check-Up für mein Herz. Also rauf aufs Ergometer und ein Belastung EKG gemacht.

Was soll ich sagen?

Du (also ich jetzt) rechnest ja nicht damit, dass bei so einer Untersuchung irgendwas rauskommt, oder?

Eher mit dem Satz: Alles tippi toppi Frau Brandl.

Im Grunde ist es das auch, aber… Ich hab wohl Zwischenschläge. Nichts wirklich Schlimmes, aber es hat mich mal kurz aus der Bahn geworfen. Mein Herz ist mein verletzlichster Punkt. Lies hier warum.

Auf jeden Fall war ich in Sekundenschnelle nochmal neun Jahre alt, sehr erschrocken über meine Reaktion ( ich dachte, ich hätte es endlich im Griff) und – zum Leidwesen meines Arztes – in Tränen aufgelöst.

Du fragst dich gerade, warum ich darüber schreibe und was das jetzt mit Perfektionismus zu tun hat?

Mir ist was klar geworden: Wenn du zum Perfektionismus neigst, versteckt er sich manchmal noch in irgendwelchen Ecken – und du kommst gar nicht drauf, dass es so ist.

Du hast vielleicht schon viel mit dir gearbeitet. Mit deiner Vergangenheit, mit deinem Leben, mit deiner Persönlichkeit, mit deiner Gesundheit und was es sonst noch so alles gibt. Der Sektor Entwicklung hat ja wirklich viel zu bieten. 😊

Du bist der Meinung: „Jetzt ist es aber gut. Nun kann nix mehr kommen. Ich bin mit allem durch und mein Leben kann quasi endlich so beginnen, wie ich es mir wünsche. Alle Stolperfallen sind weggeräumt.“

Hab ich dich?

Du ernährst dich gesund, treibst Sport, trinkst wenig Alkohol, Zucker nur in Maßen, Yoga, Pilates, Meditation, Rituale zum Atmen, Schreiben, etc. Bitte ergänze für dich, falls ich was vergessen habe.

Genau darin schlummert er – dein persönlicher Perfektionismus.

Denn wenn eins wirklich feststeht, dann die 100%ige Gewissheit, dass im Leben immer irgendwas dazwischen kommen kann. Egal, ob du gut unterwegs bist oder auch nicht.

Ich war der felsenfesten Überzeugung, dass ich soooooo gut für mich sorge, dass es auf keinen Fall sein kann, dass ich irgendwas am Herzen haben könnte. Never. Unmöglich. Schon gar nicht das. Ich quasi unkaputtbar bin. Ich muss grad selbst lachen.

Und hab auf dem Weg gar nicht gemerkt, dass sich da ein Teil Perfektionismus in meiner Gesundheitsecke versteckt hat.

Ein gutes Bild zum Perfektionismus

Eine Freundin hat vor kurzem ein sehr gutes Bild zum Perfektionismus entworfen:

„Ich fühle mich manchmal wie Don Quijote, der mit seinem Pferd durch einen Mückenschwarm reitet und versucht, alle Mücken abzuwehren.“

Ein weißes Pferd mit einem Reiter, der auf seinem Kopf einen Blechhelm, der aussieht wie ein Teller, trägt. Die Gestalt wirkt sehr skurril, fast witzig.

So ein Vorsatz ist nicht nur sehr anstrengend, sondern auch wirklich unmöglich.

5 hilfreiche Strategien, wenn’s mal nicht so gut läuft

Ich hab dir ein paar Dinge aus meinem persönlichen Werkzeugkoffer mitgebracht. Vielleicht ist was dabei, was auch dir helfen kann.

Drüber reden – das Erste, was ich mache, wenn es mal nicht so gut läuft, ist: Ich rufe Menschen meines Vertrauens an. Hat länger gedauert, bis ich das konnte. Falls dir das noch schwer fällt: Menschen freuen sich sehr darüber, wenn sie für dich da sein können.

Schreiben – Obwohl so viel darüber berichtet wird, wie megahilfreich Schreiben ist, finde ich, ist es irgendwie noch nicht bei allen angekommen. Nimm dir einen Stift und ein Heft oder Blatt Papier und schreib dir alles aus der Seele, was du gerade denkst und fühlst. Ungefiltert.

Ab in den Wald – Beweg dich, geh raus, am besten dahin, wo viele Bäume sind und Natur. Lass dein Handy zu Haue oder schalte auf stumm. Es heißt nicht umsonst: Ich laufe mir den Kopf frei.

Blick von außen – Gibt es jemanden, dessen Meinung du sehr vertraust? Egal ob Therapeut, Arzt oder Coach. Such dir jemand, der nicht emotional betroffen ist. Hol dir den Blick von außen. Eine Fach-Meinung oder ein Gespräch kann wahre Wunder bewirken.

Akzeptanz – Perfektionismus hat oft mit Angst zu tun. Angst zu versagen, Angst nicht genug zu sein, Angst nicht anerkannt zu werden, Angst etwas falsch zu machen, Angst nicht genug getan zu haben.

Mir hilft hinzuschauen: Wovor habe ich Angst? Wie kann ich akzeptieren, dass ich nicht alles unter Kontrolle habe? Worum geht es bei meinem Thema wirklich?

Mein Impuls für diesen Monat für dich

Bei welchem Thema versuchst du, wie Don Quijote, noch alle Mücken abzuwehren?

Ein Mückenschwarm tanzt im Sonnenlicht auf einer grünen Wiese

Was würde passieren, wenn du ein klitzekleines bisschen mehr locker lassen würdest?

Mal nicht alles zu 100% kontrollieren würdest?